Green Growth ungleich grünes Wachstum

Dass in der Europäischen Union Grünbücher von den Linken ernst genommen werden sollten, müsste spätestens seit der „Bolkesteindirektive“ bekannt sein. Die ihr vorausgehende Grünbuch-Konsultation, hätte bereits für die Mobilisierung zu Widerstand und Arbeit an Alternativen genutzt werden können.

Auch gegenwärtig finden hochgradig wichtige Grünbuch-Diskussionen statt (siehe ec.europa.eu/yourvoice/consultations/index_de.htm). Darunter ist das  entwicklungspolitische Konsultationspapier der Europäischen Kommission “EU-Entwicklungspolitik zur Förderung eines breitenwirksamen Wachstums und einer nachhaltigen Entwicklung. Für eine EU-Entwicklungspolitik mit größerer Wirkung”. (ec.europa.eu/development/icenter/repository/GREEN_PAPER_COM_2010_629_POLITIQUE_DEVELOPPEMENT_DE.pdf)

Es offenbart nicht zuletzt, in welchen Widersprüchen sich Menschen in EU-Institutionen bewegen, die dem Mainstream in den Kapitalfraktionen und in den Gesellschaften der EU Rechnung tragen und dennoch den global Ärmsten möglichst wirksame europäische Unterstützung zukommen lassen wollen.

Schließlich heißt es im Papier der Europäischen Kommission “Handel, Wachstum und Weltgeschehen”: “Das alles überragende Ziel der europäischen Wirtschaftspolitik ist rascheres Wachstum … Das Wachstumspotenzial unserer Volkswirtschaften zu erhöhen wird … eine große Herausforderung darstellen, … der mit dem Dreifachziel der Strategie Europa 2020- intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum – begegnet werden soll … Auf einen einfachen Nenner gebracht muss Europa … sich … den dreifachen Nutzen der Liberalisierung des Handels und der Investitionstätigkeit zunutze machen: größeres Wachstum, mehr Arbeitsplätze und niedrigere Verbraucherpreise.” (www.vci.de/template_downloads/tmp_VCIInternet/128190Original-MitteilungHandelspolitik.pdf?DokNr=128190&p=101)

Das ist gegen die Interessen der 1,5 Milliarden global Ärmsten gerichtet. Fast 75% von ihnen leben in ländlichen Regionen. Die gegenwärtige globale Finanz- und Wirtschaftskrise trifft sie besonders hart.

Das entwicklungspolitische Grünbuch erklärt, dass „Entwicklungszusammenarbeit das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern fördern und ihre Integration in die Weltwirtschaft begleiten” sollte.

Verschiedene Berechnungen zeigen jedoch, dass das weltwirtschaftliche BIP-Wachstum seit 1990 nicht einmal zu 3% den global Ärmsten zugute kam. In der Weltwirtschaft dominieren Akteure, die Armutsbekämpfung wenig interessiert.

An anderer Grünbuch-Stelle heißt es im Widerspruch zu sich selbst: “Es hat sich erwiesen, dass der wichtigste Ausgangspunkt für Wachstum und Entwicklung ein integrierter und lebhafter regionaler Markt ist.”

Dieser aber wird durch auf Wachstum fixierte EU-Freihandelsstrategien zerstört – Stichwort EPAs, Wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen.

Die in der EU Herrschenden meinen mit “Integration in die Weltwirtschaft” Investitions- und Handelsstrategien, die primär ihren eigenen Energie- und Ressourcen- und „Sicherheits“bedürfnisse entsprechen.

Die Grünbuch-Verfasser/innen sagen daher : “Entwicklungshilfe … muss die Ursachen der Armut anstelle ihrer Symptome bekämpfen und vor allem die Fähigkeit der Entwicklungsländer fördern, ein breitenwirksames Wachstum zu generieren, das es den Menschen ermöglicht, zum Wirtschaftswachstum beizutragen und davon zu profitieren, und sie muss es den Ländern erleichtern, ihre wirtschaftlichen, natürlichen und Humanressourcen zur Unterstützung der Armutsminderungsstrategien zu mobilisieren.”

Das bedeute Abbau sozialer Ungleichheiten, menschenwürdige Beschäftigung, die Gleichstellung der Geschlechter, sozialer Schutz, der Zugang aller zu guter Bildung, Berufsausbildung und Gesundheitsversorgung,  die Verwirklichung sozialer Kohäsion, der Menschenrechte und Frieden.

Ohne “eine gebildete und gesunde Bevölkerung, deren Ernährungssicherheit gewährleistet ist”, könne sich ein Land nicht weiterentwickeln und nachhaltig von Armut befreien. “Unter den zahlreichen Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung ist der Zugang aller zu einer nachhaltigen Energieversorgung von zentraler Bedeutung“. Deshalb sollten die EU, Entwicklungsländer und/oder regionale Zusammenschlüsse im Rahmen der bestehenden Partnerschaften „gemeinsame Programme zur schrittweisen Ausweitung der Versorgung mit nachhaltiger Energie auf alle Bürgerinnen und Bürger aufstellen.“

In Afrika produzieren lokale Kleinbäuerinnen und Bauern rund 80 % der auf dem Kontinent konsumierten Nahrungsmittel. “In Entwicklungsländern leistet das von der Landwirtschaft erzeugte BIP-Wachstum einen viermal so hohen Beitrag zur Armutsminderung wie das in anderen Sektoren generierte Wachstum… Eine konzertierte Initiative der EU für Investitionen in eine breitenwirksame, intensivierte, nachhaltige und ökologisch effiziente Landwirtschaft kann … für alle von Vorteil sein, indem ein stärkeres grünes Wachstum mit weniger Emissionen und eine größere soziale Stabilität erreicht werden.”

Würde “grünes Wachstum” im Kontext mit dem Stopp und Ende sozialer und ökologischer Zerstörung angestrebt, könnte das von den Linken in der EU nur gewollt und unterstützt werden. Es wäre dann zu klären, wie es gemessen, geplant und abgerechnet werden könnte.

Den Verfasser/innen des Grünbuches darf die Bereitschaft unterstellt werden, ein solch “grünes Wachstum” in den armen Ländern zu wollen. Allerdings betreiben in der EU Regierende – wenn überhaupt – ein anderes „grünes Wachstum“: Sie reflektieren zwar zunehmend Umwelt- und vor allem Klimaprobleme, aber sind nicht bereit, die Prioritäten ihrer Politik grundlegend zu verändern. Sie suggerieren, mit Wirtschaftswachstum den Klimawandel bekämpfen zu können.

Ein Prioritätenwechsel regierender Politik ist jedoch vonnöten, soll endlich begonnen werden, globale Armut, soziale und ökologische Zerstörung wirksam zu bekämpfen. Er könnte z. B. zunehmend erzwungen werden, würden sich die Linken die beiden Initiativen aus der Europäischen Kommission aneignen und dafür eintreten, dass bis zur Erlangung der MillenniumEntwicklungsziele alle Verträge und Verhandlungen der EU mit Entwicklungsländern einem Moratorium unterliegen.