Erste Eindrücke vom WSF

Von Andrea Plöger

Erste Einfrücke vom WSF

Gestrandet auf dem Charles de Gaulle Flughafen in Paris, einem der größten Flughafendrehkreuze der Welt, erscheint das Weltsozialforum wie eine ferne Galaxis, bzw. wie ein böser Planet, der täglich Rohstoffe einer Vielzahl afrikanischer Länder verschlingt und die toxischen Exkremente ausspuckt. Das Weltsozialforum, das vor über einer Dekade so glorreich und plastisch eine Alternative zu einer bis in die letzten Winkel der Erde vorherrschenden Maxime der Profitmaximierung bot, scheint in einer Sackgasse zu stecken. Waren 2003 noch auf einer der größten Versammlungen des WSF Israelis und Palästinenser gemeinsam für eine Lösung des alles beherrschenden Konfliktes im Nahen Osten eingetreten, so endete das WSF 2013, so wie es begonnen hatte, mit der Rumtrampeln auf, bzw. Schwenken von Fahnen.

Insgesamt setzte sich der Trend zur „Professionalisierung des WSF“ weiter fort, Funktionäre verschiedener Netzwerke nutzten das WSF für ihre Arbeit. Dies ist auch ein Erfolg des WSF Prozesses: viele Netzwerke stehen heute an einem anderen Punkt als vor 10 Jahren, wie u.a. das Netzwerk für Bewegungsfreiheit oder Klimagerechtigkeit oder Kommunikationsrechte. Aber die Ausstrahlung des WSF auf eine Region, bzw. auch darüber hinaus, ist  in nicht in dem erhofften Maß erfolgt. Absprachen, die über das eigene Netzwerk hinausgehen, wurden zuletzt 2003 zur Abstimmung der Proteste gegen den Irakkrieg getroffen.

Initiativen das WSF zu „dekolonisieren“, fanden in Tunis vor allem bei kritischen „Followern“ des WSF großen Anklang, haben bisher aber nicht zu einer wesentlichen Veränderung, z.B. im International Council des WSF, geführt, das mittlerweile einer überalterten Regierung, die auch eine weitere Amtsperiode nicht ausschlagen würde, ähnelt. Aber natürlich gibt es gar keine Regierung im WSF Prozess, sondern der Internationale Rat ist nur ein Rat ohne Befugnisse und daher auch ohne die Notwendigkeit einer politischen Legitimierung.

Es scheint sich allerdings in diesem „offenen Raum“, den das Forum darstellen will, zu oft die Geschichte der Intransparenz und mangelnden Legitimation zu wiederholen. So gab es auch in Tunis nicht zuletzt deshalb Boykottaufrufe, weil soziale Bewegungen und Basisaktivisten nicht nachvollziehen konnten, wie das lokale Vorbereitungskomitee entstanden war, warum es welche Entscheidungen traf und von wem wie viel für was Geld zur Verfügung gestellt wurde. Die Sitzungen des Komitees waren de facto nicht öffentlich und Protokolle gab es nicht. Die Idee, das Forum dezentral zu organisieren, wurde verworfen.

Viele kritisierten auch die Zufälligkeit und Ineffektivität der großen Verdienste des WSF: Raum für Austausch und Begegnung von Vertretern sozialer Bewegungen zu sein und eine riesige Übung in Volksschule. Mit den eingesetzten Ressourcen hätten einige hundert  thematische Seminare und Konferenzen in der ganzen Welt stattfinden können. Auch stellte sich die Frage, ob das Format des WSF wirklich ein Gewinn für die Region – zwei Jahre nach den Revolutionen – darstellt oder der Versuch, einen Prozess nach dem Vorbild Lateinamerikas im Maghreb einzuleiten, nicht angesichts der doch sehr unterschiedlichen Bedingungen, ein absurder Wunschtraum war.

Allerdings muss auch gesagt werden, dass die Idee auf weitgehende Resonanz stieß, die vielleicht nicht immer in dieselben Initiativen mündete wie in Lateinamerika. Hier muss nochmal deutlicher geschaut werden, ob das WSF in der Region eventuell doch einen Prozess einzuleiten vermochte – trotz aller Widersprüche.

Diese Fragen führen schnell zu der grundsätzlichen Frage, ob ein Format wie das WSF überhaupt noch gebraucht wird. Hier war meistens die Antwort: Ja, eine transnationale Organisierung tut Not, Zweifel jedoch, ob das WSF dies leisten kann.  Der Versuch, das WSF mit der Kraft der revolutionären Bewegungen zu erneuern, scheint fehlgeschlagen zu sein. Doch es ist auch klar, dass der WSF Prozess erst einmal nicht ersetzbar ist. Kein Nachfolgeprojekt ist erkennbar.

Das Flughafenuniversum Charles de Gaulle veranschaulicht jedoch eines: die inneren Widersprüche sind zu groß geworden. Mit wenigen Funktionären um die Welt zu fliegen, und westliche Konsummuster und ihre weltweiten Folgen zu diskutieren erscheint zunehmend obsolet. Es ist als hätten wir einen großen Schritt in Richtung des Wissens um eine bessere mögliche Welt gemacht und dabei die praktische Umsetzung unserer Erkenntnisse vergessen. Die Widersprüche lassen sich nicht weiter hintenanstellen, ein Schritt zurück in die Netzwerke und zurück auf die lokale Ebene ist vielleicht der nächstliegende. Bei aller Kritik, werden wir uns wahrscheinlich bald wieder nach einer globalen Perspektive sehnen und versuchen aus den Beschränkungen lokalen Aktivismus auszubrechen. Eine andere Welt ist nicht weniger nötig, ganz im Gegenteil. Über den Weg müssen wir weiter nachdenken.