Linke wollen neue Netze nutzen

Linke wollen neue Netze nutzen. Koordinierungstreffen von Parteien und Organisationen in Tunis

Linke suchten in Tunis die Vernetzung. Anfänge wurde gemacht. Nun gilt es, sie in den politischen Alltag zu überführen. Von Florian Wilde. In: neues deutschland, 1.4.2015

Treffen folgt Treffen: Einen Tag nach dem Ende des Weltsozialforums kamen am Sonntag auf Einladung des tunesischen linken Parteienbündnisses »Volksfront für die Verwirklichung der Revolutionsziele« 70 Vertreter von 47 Organisationen aus 14 Ländern zusammen. Darunter waren Repräsentanten von 23 Parteien. Beraten wurde über Perspektiven einer Vernetzung progressiver und ökologischer Kräfte im Mittelmeerraum, aber auch darüber hinaus.

 Die Volksfront wurde 2012 gegründet und umfasst neun Parteien maoistischer, arabisch-sozialistischer und trotzkistischer Herkunft. Sie erhielt bei den Parlamentswahlen 2014 3,7 Prozent der Stimmen und stellt 15 Abgeordnete. Einer ihrer Sprecher erklärte einleitend: »Wir haben dieses Treffen antikapitalistischer Linker einberufen, um unsere Zusammenarbeit zu intensivieren. Möglichkeiten dafür sehen wir vor allem im Kampf gegen die Schulden, die Austeritätspolitik und die Angriffe auf soziale Rechte. Aber auch den Kampf für die Freiheit der Migration, für die Selbstbestimmung der Völker und für die Freiheit Palästinas sehen wir als zentrale Achsen einer linken Kooperation im Mittelmeerraum und darüber hinaus.« In der anschließenden Debatte wurden eine Reihe weiterer Themen vorgeschlagen – von TTIP über die Solidarität mit der kurdischen Revolution bis zum Extraktivismus. Mit Letzterem wird die Ausbeutung von Rohstoffen und Agrarland für den Export beschrieben.

Helmut Scholz von der GUE/NGL-Fraktion im Europaparlament meinte dazu: »Es gibt bereits bestehende Formen der Kooperation wie die Europäische Linkspartei und die GUE/NGL. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, aber wir müssen unsere vorhandenen Räder neu zusammenführen. Wir sollten uns auf wenige Punkte für gemeinsame Aktivitäten einigen. Diese Punkte könnten die Austeritätspolitik und das europäische Migrationsregime sein.« Heike Hänsel von der Linksfraktion im Bundestag pflichtete ihm bei: »Der deutsche Plan, Flüchtlingslager in Afrika zu errichten, ist ein neokoloniales Projekt, dass nur gemeinsam erfolgreich bekämpft werden kann.«

Der Vertreter der ökologischen Partei der Côte d’Ivoire appellierte an die Teilnehmer aus Europa: »You have to fight fortress Europe!«, während der Vertreter einer senegalesischen Linkspartei die stärkere Einbeziehung des subsaharischen Afrikas in künftige Kooperationen forderte und zu einer systematischen Unterstützung des Aufbaus der dortigen linken Kräfte aufrief.

Trotz der beeindruckenden Zahl anwesender Parteien und Organisationen: es fehlten viele, die für eine relevante linke Neuformierung unerlässlich sind, aus Europa etwa SYRIZA und Podemos. Auch aus Ägypten, dem gesamten ostarabischen Raum, Kurdistan und der Türkei waren keine Vertreter gekommen. Vor allem das Netzwerk der Vierten Internationale hatte den Aufruf der tunesischen Volksfront aufgegriffen und zu dem Treffen mobilisiert. Entsprechend waren viele trotzkistische Kleinparteien aus Nordafrika sowie Europa vertreten. Ein Sprecher der postmaoistischen tunesischen Partei Watad formulierte seine Vorschläge für eine linke Vernetzung: »Wir sollten gegenseitig unsere Parteitage stärker besuchen und als Räume für Solidarität und Austausch nutzen. Und wir brauchen ein Anschlusstreffen dieses neuen Netzwerkes und ein Koordinierungskomitee für die künftige Arbeit.« Tatsächlich wurde eine Resolution für eine intensivere linke Vernetzung verabschiedet und ein Koordinierungskomitee gebildet. Ob die Vernetzung aber tatsächlich Zukunft hat, wird davon abhängen, ob Akteure wie die LINKE und die Rosa-Luxemburg-Stiftung dies aktiv unterstützen und es gelingt, andere Linksparteien in Europa und der arabischen Welt hinzuzuziehen.