Nachlese, weil es weiter gehen sollte

Das WSF 2015 ist Geschichte, seine notwendigen Analysen sind noch lange nicht getan, wichtige Schlussfolgerungen stehen aus … Das ist verständlich und normal, aber dennoch ist keine Zeit zu verlieren, um der trans- und internationalen Sozialforums-Debatte weitere Impulse zu geben. Die sind mit dem Blick auf das WSF 2016 in Montreal dringend nötig, aber noch viel mehr mit dem Blick auf die verschiedenen sozialen Bewegungen. Von diesen hängt schließlich die Entwicklung gesellschaftspolitischer Kräfteverhältnisse wesentlich ab und ein WSF soll soziale Bewegungen stärken.

Sinn und Zweck dieses kurzen Beitrages ist es, für eine Initiative zu werben, die insbesondere von den Dokumenten der ca. 30 Convergence Assemblies/ Konvergenzversammlungen ausgeht. Sie zielt auf eine Aufwertung dieser Versammlungen auf den Sozialforen und im Rahmen des WSF-Prozesses insgesamt. Das betrifft die zu planenden Zeitressourcen, die Einladung/den Aufruf zur Teilnahme am WSF und die Orientierungen des Organisationsteams. Vor allem aber sind die Aktiven, nicht zuletzt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter ihnen, gefordert, dafür zu sorgen, dass mehr miteinander als nebeneinander gearbeitet wird und dass die Schnittpunkte der Arbeitsthemen und Aktivitäten politikwirksamer werden. So gab es z. B. in Tunis mehrere Konvergenzversammlungen zu Migration und zu den Commons. Die für Steuergerechtigkeit Engagierten haben vielfach erklärt, was auch in den Papieren der Commons-Versammlungen zu finden ist. Die Abschlusserklärung der Versammlung sozialer Bewegungen führt zwar dann wieder weitgehend zusammen, was zusammengehört, aber eher im Sinne der Logik und der Worte. D.h., es handelt sich weniger um das Ergebnis eines tatsächlichen Diskussions- und Konvergenzprozesses. Ergo: Möglichkeiten, um nachhaltig zu gemeinsamen Positionen zu gelangen und gemeinsame Aktivitäten/Aktionen so zu verabreden, dass sie dann wirklich die Arbeit der sozialen Bewegungen und Netzwerke prägen, bleiben unzulänglich genutzt.

Fragt man nach dem alle Dokumente Verbindenden, so sind das selbstverständlich die Ziele und Inhalte der Charta von Porto Alegre und insbesondere die Menschenrechte, die Commons, die Auseinandersetzung mit neoliberaler Politik. Es ist aber auch eine Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeitsweise und ihren Ergebnissen. Bei der Menschenrechtsfrage zeigt sich ein gewisser Unterschied zwischen jenen, die „Rechte“ vor allem als Ansprüche und politische Ziele sehen, und jenen, die stärker auf die Arbeit an und mit Gesetzen orientieren. Sicher ist klar, dass sich veränderte Kräfteverhältnisse in geänderten und neuen Gesetzen niederschlagen. Der Streit wäre über die politische Priorität und ihre strategischen wie praktischen Konsequenzen zu führen.

Teilweise überlappend, teilweise davon losgelöst zeigt sich ein weiterer Streitpunkt im Umgang mit den UN-Beschlüssen und UN-Dokumenten: Während die einen stark mit diesen die eigene Berechtigung und die eigenen Forderungen begründen, sehen andere das vielfach belustigt, ironisch bzw. kritisch. Allerdings sollten die Potenzen der Arbeit mit den UN-Dokumenten gerade im Kampf gegen Repressionen nicht gering geschätzt werden. Es kommt wie bei den Menschenrechten auf den „dialektischen Blick“ und die Prioritäten an.

So oder so: Es sollte nun die Debatte zum Stellenwert der Konvergenzversammlungen, zu ihrer Orientierung auf Menschenrechte bzw. auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde, auf Commons, auf die Auseinandersetzung mit neoliberaler Politik und auf gemeinsame Aktivitäten/Aktionen fokussiert werden. Dabei wären auch die bestehenden Unterschiede klar herauszustellen.

Die RLS wäre insgesamt sicher gut beraten, einen solchen Impuls zu unterstützen und ihre „WSF-Arbeit“ an diesen Problemkreisen auszurichten. Dabei sollte klar sein, dass den alternativen Medien als besonderen Commons und als Arbeitsmittel eine Schlüsselstellung zukommt.