Erster Tag des ‚Climate Space’ beim WSF: Ein Klima der Poesie?

Einer der im Vorfeld ziemlich gehypten Diskussionsstränge beim diesjährigen WSF ist der Climate Space, eine Reihe von Veranstaltungen, auf denen es vor allem um strategische Planungen der Bewegung für Klimagerechtigkeit gehen soll. Die Frage ist einfach gestellt – und umso schwerer zu beantworten: Wie und wo kämpfen wir eigentlich, jenseits konkreter lokaler Kämpfe um Land, gegen die Extraktion fossiler Brennstoffe, etc., für globale Klimagerechtigkeit?

Für diejenigen von uns, die ihr politisches Handwerk in der globalisierungskritischen Bewegung gelernt hatten, war die Antwort vor einigen Jahren klar: natürlich beim Klimagipfel in Kopenhagen, der berühmten COP 15 (2009). Aber im Gegensatz zum globalen Freihandel, der durch das Ausschalten der WTO tatsächlich verlangsamt wurde, schert sich der Klimawandel nur wenig um die Klimarahmenkonvention der UN. Der nächste strategische Ansatz, unter der Schirmherrschaft der bolivianischen Regierung einen alternativen Klimagipfel in Cochabamba (2010) zu veranstalten, der mit linken Regierungen, kritischen WissenschaftlerInnen und sozialen Bewegungen alle verschiedenen Akteure des Kampfes unter einem Dach versammeln wollte, war ein interessanter – aber der sog. ‚Cochabamba-Prozess’ ist ebenso tot wie der offizielle Prozess, den er ersetzen wollte.

Seitdem steckt die Bewegung, vorsichtig gesagt, in einem, Strategieloch (die weniger vorsichtige Variante wäre zu sagen, dass es die Bewegung gar nicht gibt, dass wir sie immer nur ‚simuliert’ haben). Ein Strategieloch, dass dadurch noch beunruhigender wird, dass um uns alle herum die desaströsen und höchst ungerechten Auswirkungen des Klimawandels immer offensichtlicher werden. Deswegen der Aufschlag für den Climate Space: es sollte nicht, wie so oft, um eine Beschreibung der schrecklichen Situation gehen, sondern um strategische Planung. Wie immer ging es um die alte Frage des ‚Was tun’?

Gemessen an dem Anspruch war der erste Tag ein ziemlicher Flop. Die Einstiegssession bestand aus guten zwei Stunden altermondialistischer Poesie, Anrufungen der Graswurzelbewegungen, die doch mit Sicherheit die Lösungen für die soziale und ökologische Krise produzieren würden, wo andere Akteure (‚die oben’) so kläglich scheitern müssen, wegen des Kapitalismus halt. Das ist ja alles schön und gut, aber ist es neu? Ist es strategisch nützlich? Wohl kaum. Das meiste, was gestern gesagt wurde, hätte so wortgenau vor fünf, manches vor zehn Jahren schon gesagt werden können.

Pablo Solon, ehemals bolivianischer Chefunterhändler bei den internationalen Klimaverhandlungen, und heute Chef der exzellenten NGO Focus on the Global South stellte zwar die richtigen Fragen – was meinen wir, wenn wir von systemischen Wandel reden, welche Maßnahmen, Policies, Aktionen, können zum Ende des Kapitalismus beitragen – hatte aber auch keine guten Vorschläge parat, in welche Richtung wir denken könnten. Genevieve Azam von Attac France beruft sich auf die globale Schicksalsgemeinschaft, die qua Klimawandel nun zum ersten Mal existiert, kann aber auch aus dem Dilemma nicht heraus, dass diejenigen, die vom Kapitalismus am meisten profitieren, eben gerade nicht diejenigen sind, die am unteren Rand dieser ‚Gemeinschaft’ als erste verrecken werden.

Kurz vor Schluss steht William auf, ein offensichtlich in der Tradition des US-Organizing geschulter Aktivist, und stellt die Frage, die sich jede strategisch planende Bewegung stellen müsste: wo sind die Schwachpunkte des Gegners? Wo sind diejenigen Orte (im weiteren Sinne), an denen wir unsere begrenzten Kräfte ansetzen können, um unsere Agenda maximal voranzutreiben? Die Frage, die mich auch schon seit langem umtreibt, bleibt unbeantwortet im Saal hängen, die Koryphäen der Bewegung sind sichtlich verunsichert: was, wenn es auf diese Frage keine Antwort gibt?

Zwei volle Tage Diskussion haben wir noch. Aber am Ende müssen wir uns daran messen lassen, ob wir zur Beantwortung dieser Frage beigetragen haben. Einen weiteren globalisierungskritischen, klimabewegten Poetry-Slam braucht’s wirklich nicht.