Vom sechsten FSMSSS

Fathi Chamkhli, tunesischer Bewegungsaktivist und nun linker Abgeordneter im Nationalparlament, brachte es beim Anti-EPAs -Workshop des Tuniser RLS-Büros auf den Punkt: Er nannte die neoliberalen Hardliner „Salafisten“. Damit meinte er zweierlei: die Hardliner sind in ihren Denkstrukturen den Salafisten ähnlich und ihre Politik befördert ideologische, politische und religiöse Fundamentalismen. Deren soziale Auswirkungen gehörten zu den Themen des VI. FSMSSS, das für Forum Mondial de la Santé et de la Securité Social – Weltsozialforum für Gesundheit und soziale Sicherheit – steht. Sein Thema war wie folgt benannt: Hin zu einem universellen, die Menschenrechte realisierenden sozialen Schutz – gegen Austeritäts-Politik; für die Suche nach mehr als einer allgemeinen Absicherung und sozialen Schutzkorridoren – für universelle soziale Sicherungssysteme und eine transformative Sozialpolitik, die gegen neoliberale Hegemonie erkämpft werden muss. Weil das Thema so kompliziert und umfangreich ist, tagte man schon zwei Tage vor der offiziellen WSF-Eröffnung.
Das FSMSSS ist im Weltsozialforumsprozess verankert. Erstmalig hatte es 2005 in Porto Alegre stattgefunden und die Kriterien für einen vernünftigen Gesundheitssektor formuliert.
Auch diesem wollte der „Arabische Frühling“ näherkommen. In Tunesien, wo es traditionell das beste Gesundheitssystem im Maghreb gab, sind auch Fortschritte zu verzeichnen. Unter dem Druck der „schuldenbedingten“ neoliberalen Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank hatten dort in den Jahren vor 2011 massive Privatisierungsprozesse im Gesundheitssektor stattgefunden. Die Programm-Fortsetzung durch die „Salafisten“ in den Institutionen des Finanzkapitals auch nach 2011 verstellt die erforderlichen solidarischen Gesundheitsreformen.
Ilicheong Yi von UNRISD machte anhand eines Vergleiches zwischen Thailand einerseits und Tunesien/Marokko andererseits deutlich, dass es nicht automatisch notwendig ist, in bzw. nach einer Finanzkrise blind „den Institutionen“ zu folgen. Allerdings muss man den politischen Willen zu Alternativen haben und die politischen Kräfteverhältnisse entsprechend verändern können: Thailand hat sich trotz Finanzkrise gegen neoliberale „Reformen“ und so gegen Privatisierungen im Gesundheitssektor entschieden und solidarische Gesundheitsreformen begonnen. Das Ergebnis ist: Tunesien und Marokko geben zwar im Vergleich zu Thailand einen höheren Anteil des BIP für Gesundheitsleistungen aus, aber der Anteil des öffentlichen Sektors ist in Thailand höher. Während in Tunesien und Marokko die Verbesserungen der Gesundheitsleistungen wesentlich im privaten Sektor erfolgen und vorrangig den Reichen und Reicheren zugutekommen, sind in Thailands Gesundheitssystem mehr soziale Gerechtigkeit und Gleichheit erreicht wurden. Progressive Parteien und demokratische Akteure der Zivilgesellschaft sind ein Bündnis eingegangen und haben insgesamt die Gesellschaftspolitik verändert. Der interessante Beitrag vom 6. FSMSSS kann wie auch die anderen Inputs von der Website des Forums abgerufen werden.