Klima – Bewegung – Geschichte II: Es wird einmal ein Klimagipfel

Am zweiten Tag des gestern schon anmoderierten Treffens der Coalition Climat 21, die sich hier in Tunis versammelte, um Proteste und Aktionen um den in Paris stattfindenden COP21-Klimagipfel Ende des Jahres zu diskutieren, geschah etwas, dass es in der Geschichte dieses Bündnisses (es existiert seit August 2014) bisher nur einmal gegeben hatte: es wurde eine wirkliche Entscheidung getroffen – und dann auch noch eine gute!

Zurück zum Anfang: vergangenes Jahr im August traf sich in Paris eine unübliche Breite progressiver klimapolitischer Akteure – vom Avaaz und dem Climate Action Network hin zu linksradikalen und ungehorsamen AktivistInnen – um die Planungen für die COP21 zu beginnen. Und seitdem ich (ca. 2008) Teil der Klimabewegung bin, ist das immer wieder der Shibboleth, die Gretchenfrage: wie hältst du’s mit den Klimagipfeln? Auf der einen Seite diejenigen, die auf deren Alternativlosigkeit beharren (globales Problem, globale Lösung, keine Trittbrettfahrer…), auf der anderen die eher aus der Globalisierungsbewegung stammenden GipfelkritikerInnen, die auf die bisherige Nutzlosigkeit der Gipfel verweisen (seitdem Beginn der Verhandlungen sind globale Treibhausgasemissionen um 60% angestiegen, etc…). Das macht das gemeinsame Organisieren von Protesten und Aktionen ziemlich schwierig: während die einen durch intensives Lobbying und Druck auf der Straße die Verhandlungen zu besseren, oder zumindest weniger schlechten Ergebnissen bugsieren wollen, streben die anderen nur danach, ein Zeichen gegen die Gipfel, gegen deren klimapolitische Nutzlosigkeit und  finanzkapitalistische Überformung zu setzen.

Das erste Treffen in Paris schien jedoch darauf hinzudeuten, dass diese Gräben kleiner werden, da, ganz deutlich formuliert, die Positionen der ‚Radikalen‘ immer mehr mainstreamtauglich wurden: mittlerweile muss mensch nicht mehr blauäugig, sondern geradezu blind sein, um einen guten Deal zu erwarten (und das, was 2009 noch die schärfste Waffe der Radikalen war, der ‚Walk-Out‘ der NGOs aus den Verhandlungen, war er 2013 die Waffe des NGO-Mainstreams) . Da diese Einsicht sich immer weiter verbreitet hatte, einigten wir uns im August darauf, die zentrale Gipfeldemo nicht wie üblich in der Mitte des zweiwöchigen Gipfels zu organisieren – traditionell wird dort kommentiert, was bisher verhandelt wurde, und versucht, die Regierenden für die letzte Woche des Gipfels unter Druck zu setzen – sondern am Ende, genauer, nach Abschluss des Gipfels, um so ‚das letzte Wort‘ zu haben.

Jedoch: als die Hauptamtlichen von Avaaz, dem internationalen Gewerkschaftsbund und anderen Organisationen, deren Geschäft es nunmal ist, Regierende zu beeinflussen, mit diesem Beschluss nach Hause kamen, muss ihnen jemand ordentlich den Marsch geblasen haben – denn, ein Marsch am Ende ist ein klares Signal, dass es die Bewegungen sind, die den Klimaschutz vorantreiben müssen, dass wir von Regierungen nicht viel erwarten. Mit guten wie mit schlechten Argumenten (‚we can’t let governments off the hook‘ – wie wahr; ‚there might yet be a deal, Ban Ki-Moon is putting all his weight behind one‘ – wie irrelevant) wurde nun von der Avaaz-Gewerkschaftskoalition versucht, die eine Abmachung zum ‚letzten Wort‘ zu kippen, was u.U. zu einem bewegungspolitischen Desaster hätte führen können: die großen, finanzstarken Organisationen holen ihre Leute zu einer appellativen Kuscheldemo zum ersten Wochenende, 28.-29.11., nach Paris – nach dem Motto, liebe world leaders, könntet ihr jetzt bitte, aber jetzt wirklich bitte, das Klima retten? – während die Radikalen und Ungehorsamen am letzten Wochenende (12.-13.12) relativ allein in Paris herumeiern, leichte Beute für die Repression werden, und politisch isoliert dastehen? Denn die radikaleren Zusammenhänge würden sich nie auf eine appellative Demo zu Beginn des Gipfels einlassen, dafür hatten wir inhaltlich in den Debatten bisher zu oft recht.

Und gestern: gestern gab’s, wie Asad Rehman von Friends of the Earth International das in ironischem Bezug auf Neville Chamberlain darstellte, einen Deal, der ‚Peace in Our Time‘ garantiert. Die großen Organisationen mobilisieren am ersten Wochenende zu Demos in den jeweiligen Hauptstädten, und können dort ihre Forderungen artikulieren, während es am Ende des Gipfels in Paris eine große, gemeinsame Mobilisierung nach Paris gibt, in der sowohl Märsche und Demos als auch Aktionen des zivilen Ungehorsams Platz haben werden.

Also, schreibt’s Euch schonmal in die Kalender: 28. oder 29.11., große Klimademo in Berlin (und anderen Hauptstädten); 12. und/oder 13.12., große Klimaaktion in Paris.

Ach ja, das Problem, von dem ich gestern sprach, das Problem mit der mobilisierenden Erzählung, das ist leider immer noch nicht gelöst worden. Es wird interessanterweise für die großen Organisationstanker durch diesen Deal fast noch ein Bisschen verschärft: wer kann gleichzeitig für eine appellative Demo am Anfang des Gipfels mobilisieren, und außerdem zu einer Strafaktion zum Ende des Gipfels? Letzteres nimmt ja das Ergebnis des Gipfels vorweg, während die Mobilisierung zu Anfang nicht funktioniert, wenn man nicht auch ein Bisschen verschweigt, was schon alle, auch in den großen Verbänden wissen: es wird weder genug Geld, noch genug Emissionsreduktion auf dem Tisch liegen.

Aber immerhin: Peace in our time, innit?