„Ein zweites Forum für alle, die kein Visum bekommen haben“

Ibrahima Thiam hat in Siegen Politikwissenschaften studiert und arbeitet derzeit als Programmanager im Bereich natürliche Ressourcen und Klimawandel im Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar, Senegal. Mit ihm sprach Stefanie Kron in Montreal

Naomi Klein hat zur Eröffnung ihres Beitrags hier in Montréal „Welcome to the first Firstworld Social Forum!“ ins Publikum gerufen. Wie findest Du das erste Weltsozialforum im Norden?

Ich war 2011 in Dakar und 2013 in Tunis und ich muss sagen, das hier ist aus der Perspektive des Südens ein voller Unterschied. Als erstes sollte man die vielen abgelehnten Visaanträge nennen. Das ist vor allem eine Frage der Solidarität mit den Leuten aus dem Süden, die kein Visum bekommen haben, über die wir dringend reden müssen. Wir sollten über ein zweites Forum nachdenken, für alle Leute, die kein Visum bekommen haben.
Auf einem Weltsozialforum sollten die drängenden Themen besprochen werden, aber unter Beteiligung aller Betroffenen. Das bedeutet, dass die Communities und Basisinitiativen im Süden, die sich etwa mit den Folgen von Migration beschäftigen oder gegen Landraub und Ressourcenausbeutung kämpfen, hier eine Stimme haben sollten. Eigentlich hätte das Forum in Kanada eine sehr gute Gelegenheit des Nord-Süd-Austausches geboten. Kanadische Unternehmen betreiben in vielen Ländern des Südens massive Formen von Ressourcenausbeutung. Wären mehr Aktivisten/innen des Südens hier gewesen, hätten wir vielleicht auch mehr die kanadische Bevölkerung in dieser Hinsicht sensibilisieren können. Das war leider so nicht möglich.

Was war anders in Dakar und Tunis?

Dakar war das volle Chaos, aber viel lebendiger. Tunis 2013 war auch sehr interessant, weil das WSF im Jahr des arabischen Frühlings stattfand, nach der Wende sozusagen. Wir haben die Hoffnungen und Erwartungen der Menschen, vor allem der jungen Leute, dort gespürt, weil sie auch am Forum teilnahmen.

War auch was gut in Montréal?

Ich bin teilweise auch sehr zufrieden, weil das Thema des Klimas eine große Rolle gespielt hat. Klimagerechtigkeit ist für mich wie ein Schirm, unter dem viele andere Themen zusammen laufen: Menschenrechte, Rohstoffe, Gender oder Migration.

Soll das WSF nie mehr im Norden stattfinden?

Das WSF sollte mehr im Süden, aber ab und zu auch im Norden sein, denn unser Kampf beispielsweise um das Klima ist ein Kampf von beiden Seiten. Wenn das WSF also schon mal in so einem wichtigen Land wie Kanada stattfindet, dann sollten wir darauf hinwirken können, dass die Leute hier mehr über globale Zusammenhänge erfahren und sich dann vielleicht solidarisieren und auf ihre Regierungen Druck ausüben. Aber dafür müsste der Süden anreisen dürfen und das Forum müsste mehr raus aus den Uni und an andere Orte gehen, wo wir mehr und andere Menschen hier in Kanada erreichen könnten.